… in denen wir plötzlich spüren, dass der Weg, den wir gewählt haben, der Richtige für uns war. Und immer noch ist. Wunderbare Momente, in denen uns bewusst wird, dass jede einzelne Sekunde der vergangenen Jahre, das Dasein und Zuhören, das Begleiten und Vertrauen, das Zeit lassen und Zeit geben, und das wirkliche Eingehen auf diese kleinen Menschen es wert waren und sich keine einzige Prophezeiung der Kritiker erfüllt hat.
Da sind diese kleinen (und schon etwas größeren) Menschen, die uns oft genug an unsere Grenzen bringen, uns oft genug zeigen, wer wir eigentlich sind und uns an manchen Tagen auch an den Rand des Wahnsinns treiben. An Tagen, wo alles schief zu gehen scheint und alle irgendwie aneinander geraten. An Tagen, wo die Bedürfnisse der einzelnen nur so aneinander krachen und wir das Gefühl haben niemandem gerecht werden zu können, schon gar nicht uns selbst … Tagen, wo die Zeit fehlt, oder wir ihr hinterher rennen mit dem unguten Gefühl, dass sich ständig neue Hindernisse vor uns aufbauen. Aber dann … dann gibt es eben auch die anderen Tage. Tage wie den heutigen. Wo man plötzlich merkt, dass doch alles stimmt und das Chaos einfach Teil des Ganzen ist.
Selbstständig, eigenverantwortlich …
Der Tag hat eigentlich schrecklich begonnen. Wie schon die vorangegangenen vollgestopft mit Terminen und wichtigen Erledigungen. Die Müdigkeit greifbar, der Berg an Arbeit schon eher ein richtiges Gebirge, die Jüngste am Zahnen mit rinnender Nase und Bindehautentzündung und wir Großen planlos was das Mittagessen betrifft.
Aber dann ist … der Mittagstisch gedeckt. Liebevoll dekoriert inklusive frischen Palmkätzchenzweigen in einer Vase und mit Veilchen in den Tellern, die gefüllt sind mit herrlich duftendem Mittagessen.
Zubereitet? Von den drei „Großen“. Die nicht nur die Küche blitzblank hinterlassen haben, sondern noch vor unserer Ankunft mit allem fertig waren, so dass wir uns einfach setzen und essen mussten. Besser als in jedem Restaurant und in dem Augenblick schöner als jedes andere Geschenk. Aber am Allerschönsten war die unendliche Freude und das Strahlen in den Augen dieser kleinen Menschen. Ein Strahlen, wie es nur dann auftreten kann, wenn etwas von ganzem Herzen kommt und einfach gemacht wird. Aus Eigeninitiative.
Denn es war keine Auftragsarbeit. Wir haben ihnen beim Verlassen des Hauses keine Liste in die Hand gedrückt mit Arbeiten, die sie bis zu unserer Rückkehr zu erledigen hätten. So etwas gibt es bei uns nicht.
Natürlich hat jeder seine Aufgaben, schon die Kleinsten, sobald sie mithelfen wollen. Ohne all die helfenden Hände würde das Familiengefüge hier nicht funktionieren. Aber es sind keine dieser Pflichtaufgaben, bei deren Nichterfüllung Bestrafung droht, wie das so gerne in der Erziehung eingesetzt wird. Oder Pflichtaufgaben, die wir ihnen zugeteilt haben. Ganz im Gegeteil. Die Kleinen haben sich ihre Tätigkeiten gesucht.
Das Spannende an dieser Struktur ist, dass sie ganz selbstverständlich gewachsen ist. Vielleicht gerade deshalb, weil Mithilfe nie verboten wurde. Schon bei den Kleinen nicht. Wenn die Jüngste beim Wäscheaufhängen hilft oder die Dreijährige beim Zusammenlegen und Wegräumen, dann tun sie das einfach. Auf ihre Art und Weise und nicht selten so, dass wir halt ein wenig nachräumen oder -ordnen müssen. Und ja, natürlich ist man wesentlich schneller, wenn man einfach alleine werkelt und die Kleinen mit anderen Dingen abspeist. Und natürlich kann es schon herausfordernd sein, der Dreijährigen beim stundenlangen Säubern vom Geschirr zuzusehen.
Andererseits bin ich überzeugt davon, dass wir heute kein duftendes Mittagessen auf den Tellern gehabt hätten, wenn sie nicht von Beginn an hätten mithelfen dürfen. Der Trugschluss ist nämlich gerade der zu glauben, dass dieses Mithelfen mit dem Alter und der Einsicht kommen würde, dass einer alleine nicht alles tun könnte. Aber das ist vollkommener Blödsinn. Es ist die übliche Sackgasse einer Erziehung, die zuerst verhindert und dann verlangt. Denn woher soll das Können kommen, wenn ich es nie ausprobieren darf? Woher das Wissen um die einzelnen Handgriffe, wenn ich nie probieren darf?
Woher Eigeninitiative und -verantwortung, wenn mir in den ersten Jahren alles abgenommen und ich ständig – von allen Ecken und Enden – in die Passivität gedrängt werde?
Selbstständigkeit und Eigenverantwortung kommen nicht von irgendwoher, sondern daher, dass man es einfach sein darf. Selbstständig und eigenverantwortlich.
PS: Das Essen war übrigens so herrlich, wie es geduftet hat 🙂
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