Was wurde aus…

Kein Zeugnis zu haben oder die Schule/Externistenprüfung (EP) nicht zu besuchen/zu absolvieren gefährde das Wohl des Kindes bzw. schränke es in seinem Recht auf (Schul?)Bildung ein. Wir machten uns auf die Suche nach erwachsenen jungen Menschen in Österreich, die weitestgehend ohne Schule/EP aufwuchsen.

Was wurde aus ihnen? Sind sie gefährdet etwas zu verpassen? Hat es ihnen geschadet kein Zeugnis zu haben?

Hier ist, was wir fanden (Stand Jänner 2025):

J.L. (19 Jahre): J. wuchs ohne Schule auf und absolvierte nach den ersten zwei Volksschuljahren keine EPs mehr. Ein Jahr verbrachte er an einer freien Schule. Als J. 15 Jahre alt wurde begann er mit einer Doppellehre in einem großen städtischen Betrieb. Er ist durchgehend bei den Klassenbesten und hat bereits zwei Prüfungen im Rahmen der „Lehre mit Matura“ positiv abgelegt. Seine Lehrherren und Lehrer sind überaus zufrieden mit seinen Leistungen und nehmen ihn als überdurchschnittlich motiviert wahr.

B.K. (18 Jahre): Unser Sohn B. absolvierte vier EPs in der Volksschule zu einer Zeit, als man die Prüfungsschule noch frei wählen konnte. Danach wollten wir ihm die wenig wertschätzende Atmosphäre nicht mehr antun. Die Prüfungen wirkten sich auch jedes Mal negativ auf seine Motivation zu lernen aus. Als B. 17 Jahre alt wurde, bereitete er sich beim WIFI auf den Pflichtschulabschluss vor. Er genoss die Kurse und konnte auch seinen (meist erwachsenen) Kollegen viel helfen. Die Prüfung fiel ihm nicht schwer. Eine der Lehrerinnen am WIFI hat ihm folgende Rückmeldung (per Mail) gegeben: „Ich möchte mich bei Ihnen bedanken für Ihre stete Aufmerksamkeit, die aktive Mitarbeit und Ihr Interesse am Unterrichtsstoff. Ich werde Sie immer positiv in Erinnerung halten als wissbegierigen, intelligenten, empathischen und sehr sozial kompetenten Schüler mit edler Haltung und Werteempfinden. Ich wünsche Ihnen alles Gute und viel Erfolg für Ihre Zukunft! Herzliche Grüße, F. G.“ Nach einem Praktikumstag bei der GF-Gießerei in H. (ein sehr großer Betrieb) hätte ihn der dortige Lehrlingsbeauftragte SOFORT genommen und war wirklich enttäuscht, als B. ihm abgesagt hat. B. hat sich für die kleine Firma S. Sensors entschieden. Die hätten ihn ohne Zeugnis sofort eingestellt als vollwertigen Arbeitnehmer, weil er alles konnte, was sie suchten! B.s Wunsch war es aber, eine Lehre zu machen, um einen Abschluss zu haben. Deshalb haben sie dort für ihn eine Lehrstelle beantragt. Nach fünf Monaten hat ihm der Chef der Firma angeboten, dass er bereits ab Jänner das Lehrlingsgehalt des 2. Lehrjahres bekommt, weil seine Tätigkeit für die Firma über die Tätigkeit eines Lehrlings des 1. Lehrjahres weit hinausgeht. B. arbeitet nebenbei ehrenamtlich bei der Freiwilligen Feuerwehr als Sachbearbeiter und bei Einsätzen. Er ist seit vielen Jahren Reparateur im örtlichen Reparaturcafé und designed erfolgreich Werkstücke für 3D-Drucker.

Tochter K.K. (19 Jahre) und Sohn B.K. (16 Jahre): Tochter K. besuchte (bis auf 1-2 Jahre an einer freien Schule) keine Schule und absolvierte auch keine EP. Im Alter von 15 Jahren wählte sie ihren Wunsch-Lehrberuf und erhielt dieses Jahr eine besondere Auszeichnung für ihre Leistungen an der Landesberufsschule unterzeichnet von Johanna Mikl-Leitner sowie Christina Teschl-Hofmeister. K.’s Abschlussarbeit wurde ebenso im Besonderen hervorgehoben und so wurde sie auserwählt, um am Niederösterreichischen Lehrlingswettbewerb mitzumachen. Sohn B.K. besuchte keine Schule und absolvierte keine EP. Auch er wählte seine Wunsch-Lehre im Alter von 15 Jahren und erhielt soeben das Abschlusszeugnis aus dem ersten Lehrjahr. Er wurde Klassenbester. Beide arbeiten nebenbei ehrenamtlich seit vielen Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr.

Sohn T.T. (20 Jahre) und Tochter S.T. (18 Jahre): Wir nahmen unseren Sohn T. zu Beginn der 3. Klasse Volksschule aus der Schule, weil wir deutlich sahen, wie schlecht es ihm dort ging. Ganze dreimal trat er dann zur EP an, mit sehr guten Ergebnissen. Ab der ersten Mittelschulstufe jedoch wurde er von den Lehrern ziemlich herabgewürdigt. Da dies negative Auswirkungen auf T. hatte, beschlossen wir die Prüfungen nicht mehr zu absolvieren. T. machte in Folge seinen Mittelschulabschluss via Volkshochschule. Mit großem Erfolg und im AHS-Status. Er war Klassenbester und pünktlichster Schüler ohne Fehlzeiten, obwohl er den längsten Anfahrtsweg zur VHS hatte. Drei Tage nach Abschluss der Prüfungen hatte er seinen Lehrvertrag in der Tasche. S. besuchte die Schule lediglich für ein paar Monate. Es war offensichtlich, dass es ihr damit nicht gut ging. Prüfungen absolvierten wir keine, da wir nach den Erfahrungen von T. bereits sehr abgeschreckt waren. Heute ist S. 18 Jahre alt und befindet sich bereits im 2. Lehrjahr….ihr Zeugnis ist ausgezeichnet. Die Berufsschullehrer meinten, von so jemandem wie ihr, haben sie immer nur gehört. Sie sind erstaunt, welch hervorragende Leistungen sie bringt und wie freundlich und kollegial sie ist. Davor – im Alter von 15 Jahren – hatte sie entschieden den Vorbereitungskurs zum Pflichtschulabschluss an der VHS zu machen. Sie bestand mit lauter „sehr gut“.

L.M., 26 Jahre: Mit 6 Jahren wurde L. regulär eingeschult und erinnert sich nur noch, dass es ein Schock für sie war. Nach kurzer Überlegung meldeten ihre Eltern sie für den Häuslichen Unterricht an. Sie fanden eine kooperative Prüfungsschule – was damals noch möglich war – und so konnte L. in der Volksschulzeit sehr positive, kindgerechte Prüfungserfahrungen machen. Am Ende des 5. Schuljahres änderte sich dies schlagartig und sie machte einige – wie sie selbst erzählt – recht traumatische Erfahrungen. Ihre Eltern fürchteten L. würde die Motivation zu lernen völlig verlieren und so ging sie nicht mehr zu den Prüfungen. Heute ist L. eine schöne, fröhliche und selbstbewusste junge Frau von 26 Jahren. Sie hat eine abgeschlossene Ausbildung als Tierpflegerin, tritt mit ihrem Vater, einem Musiker, als Sängerin auf, stellt ihre Bilder aus und beginnt gerade ein Kunststudium. Den Hauptschulabschluss hat sie bis heute nicht nachgeholt, weil sie ihn weder vermisst noch jemals gebraucht hat. Aufgrund ihres Wissens und ihrer Persönlichkeit wurde L. damals – ohne Zeugnis – in der berühmten Tierpflegeschule in Schönbrunn aufgenommen und schloss die dreijährige Lehre dort mit Auszeichnung ab.

All diese Beispiele (und viele weitere hier nicht angeführte) zeigen: Diese jungen Menschen gehen ihren Weg, gliedern sich mühelos ein und zeichnen sich auch noch durch hohe fachliche und soziale Kompetenz und einen hohen Grad an Lebenszufriedenheit aus. Sie alle haben keine Schule besucht und keine EPs absolviert und sie alle waren niemals gefährdet oder benachteiligt. Ganz im Gegenteil!