Wir sind eine von vielen Initiativen, die gemeinsam den Offenen Brief für freie und selbstbestimmte Bildung vom 28. 03. 2023 ans Bundesministerium unterstützen. In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass wir dadurch nicht die Ziele und Interessen der anderen Unterzeichner vertreten. Der offene Brief kann gerne selbst unterschrieben werden auf der Website der Plattform.
Freie selbstbestimmte Bildung
Angebot zur gemeinsamen Lösungsfindung
Sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrte Damen und Herren,
wir sind eine vernetzte Gemeinschaft von Familien, Vereinen, Initiativen, Beschäftigten aus dem Bildungsbereich sowie Unternehmen aus ganz Österreich, insgesamt bisher rund 100.000 Menschen, die Sie mit diesem Brief zu einem Dialog über eine gemeinsame Lösungsfindung für freie und selbstbestimmte Bildungswege der jungen Menschen in unserem Land einladen möchten. Wir sind Menschen, die verantwortungsbewusst am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und denen die Zukunft, das Wohl und die Möglichkeiten der individuellen Potentialentfaltung unserer Kinder am Herzen liegen – weil sie die Zukunft unseres Landes sind!
Mit großem Bedauern stellen wir fest, dass der, im Staatsgrundgesetz dem öffentlichen Schulwesen gleichgestellte, häusliche Unterricht, mit bereits im Jahr 2022 vollzogenen und jetzt neuerlich geplanten Verschärfungen der gesetzlichen Grundlagen (1), offenbar so unattraktiv und so ungleich wie möglich gestaltet werden soll.
Dies ist insofern besonders bitter, als Eltern, die junge Menschen im häuslichen Unterricht begleiten, in ganz besonderem Maße ihrer großen Verantwortung als Erziehungsberechtigte nachkommen und für die Qualität der Bildung ihrer Kinder einstehen. Sie agieren mit bestem Wissen und Gewissen zum Wohle ihrer Kinder, da sie als Eltern auch am genauesten wahrnehmen, wie die Potentiale der jungen Menschen optimal gefördert werden können.
Die derzeit laufenden verwaltungsrechtlichen Dauerbestrafungen und angedrohte Entzüge der Obsorge durch die Behörden, in einer in der zweiten Republik noch nie dagewesenen Art und Weise, sowie Verschärfungen bei (Externisten-)Prüfungsgegebenheiten missachten hier sowohl das Kindeswohl als auch die verfassungsrechtlich festgelegte Entscheidungsfreiheit der Eltern und Kinder in Bezug auf Bildung. Eine derartige Vorgehensweise dient weder dazu, Eltern zu überzeugen, noch trägt sie dazu bei, Verständnis seitens der Eltern zu schaffen.
Ungeachtet dessen richten wir in diesem Brief unser Anliegen an Sie alle, mit uns einen offenen und lösungsorientierten Dialog über freie und selbstbestimmte Bildungswege in unserem Land zu starten. Wir verstehen unsere Lösungsansätze dabei als eine ergänzende Möglichkeit, freie und selbstbestimmte Bildungswege neben den bereits bestehenden Bildungsangeboten im öffentlichen oder privaten Schulwesen zu initiieren und zu implementieren.
Warum? Weil wir der Überzeugung sind, dass sowohl angesichts der derzeitigen Situation im österreichischen Schulwesen (Mangel an PädagogInnen, überfüllte Klassen, sinkendes Bildungsniveau, zunehmende Anzahl (psycho-)sozialer Konflikte, etc.), als auch auf Grund des laufenden Wandels von einer Industrie- hin zu einer Wissensgesellschaft (2), die Zeit gekommen ist, neben den bereits bestehenden schulischen (Aus-)Bildungsmöglichkeiten auch andere, selbstbestimmte Bildungswege zu entwickeln und zu fördern. Gerade die aktuellen Probleme und Herausforderungen im öffentlichen Bildungssystem und der sich ändernde Bedarf der Wirtschaft an kreativen und eigenverantwortlichen Wissensmitarbeitern zeigen, dass neue Wege der Bildung von Kindern notwendig sind und ebenso zu einer Entlastung des Systems beitragen.
Unser Angebot ist nicht neu: vielmehr gibt es selbstbestimmte Bildungswege bereits in vielen Ländern der Welt, und auch in Österreich hat der Verein Freilerner.at Ihrem Haus bereits am 20.11.2019 ein Positionspapier zum Thema „Alternativen zur Externistenprüfung“ (3) übergeben.
Aus rechtlicher Sicht basiert unser Angebot primär auf den verfassungsrechtlich verankerten Grundsätzen des Art. 17 Staatsgrundgesetz, dem Gleichheitsgrundsatz sowie Art. 14 GRC. Wir verweisen diesbezüglich auch auf die Ausführungen in der Publikation „Unsere Rechte. Grund- und Freiheitsrechte in Österreich“ der Parlamentsdirektion4. Weiters informieren wir Sie in diesem Zusammenhang darüber, dass derzeit mehr als 180 Beschwerden gemäß Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof gerichtet sind.
Für unser aller lebensbejahendes Wohl, für unsere jungen Menschen und auch für eine weiterführende Entwicklung unseres Landes werden wir den von uns eingeschlagenen Weg konsequent weiter gehen.
Wir reichen Ihnen die Hand und sind bereit und offen für einen wahrhaftigen Dialog, um gemeinsam Lösungen für selbstbestimmte Bildungswege zum höchsten Wohl der jungen Menschen und unseres Landes zu finden!
Wir freuen uns über Ihre Antwort unter kontakt@freie-bildungswege.at bis zum 25.04.2023 und verbleiben
mit freundlichen Grüßen
das Team der Plattform freie Bildungswege
(1) Beschluss des Unterrichtsausschusses (248/ME) betreffend Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz und das Schulpflichtgesetz geändert werden sollen, letzteres insbesondere mit der Zielsetzung, die Rahmenbedingungen des häuslichen Unterrichts weiter zu verschärfen.
(2) Wir möchten diesbezüglich beispielhaft auf den Bericht „Bildung im Zeitalter der Wissensexplosion“ des deutschen Zukunftsinstituts aus dem Jahre 2012 hinweisen (https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/bildung-im-zeitalter-der-wissensexplosion/), der sich damit befasst, dass Bildung im Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft zum Megatrend wird, weil sich Institutionen und das Verständnis von Bildung rapide verändern. Der Bericht kommt unter anderem zu folgendem Fazit: „Mit dem Megatrend Individualisierung rückt die Förderung einzigartiger Talente in den Mittelpunkt des Bildungswesens. Neues Lernen findet nicht mehr nur in der staatlich vorgesehenen Phase am Anfang des Lebens statt, sondern erstreckt sich über alle Wechselfälle der unberechenbaren „Multigrafie“ des Individuums. In der Konsequenz wird Lernen auch ökonomisch immer mehr zur Privatsache.“ und „Ausschlaggebendes Erfolgskriterium für neue und alte Bildungsangebote ist ihre Entsprechung an den Anforderungen für die Wissensgesellschaft von morgen. In der Kreativ-Ökonomie ergeben Kreativität, Kontextualisierung, Persönlichkeit, soziale Skills und intrinsische Motivation ein einzigartiges Profil für jeden Wissensarbeiter, das auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft zum Unique Selling Point werden kann.“
(3) https://www.freilerner.at/der-verein/positionspapier-alternativen-zur-externistenpruefung/
(4) Unsere Rechte: Grund- und Freiheitsrechte in Österreich | HG Parlamentsdirektion, Seite 36